Wir befinden uns im Jahre 2010 nach Christus. Ganz Frankreich wird von US-amerikanischen Weinkonzernen bedroht, die Vielfalt der edlen Tropfen ist in ernsthafter Gefahr. Ganz Frankreich? Nein! Ein kleines, von unbeugsamen Winzern bevölkertes Städtchen im verträumten, eigentümlichen Périgord bietet vor allem in Person von Bruno, Chef de Police, Widerstand!
Mit diesen abgewandelten Worten des genialen Rene Goscinny könnte man den zweiten Kriminalfall von Martin Walker zusammen fassen. Damit träfe man aber den Kern dieses durch und durch Klischee behafteten Werkes allerdings nicht wirklich, denn selten hat ein Roman beim Lesen dermaßen entzweit.
Einerseits plätschert der Kriminalfall in dem Umweltaktivisten, Biowinzer und höchst eigenwillige Charaktere die Hauptrollen übernehmen ziemlich emotionslos und spannungsfrei vor sich hin, andererseits bringt es Martin Walker bei den Beschreibungen von Festen und Gelagen aber vor allem von Weinverkostigungen und feudalen Essen zu wahrer Meisterschaft. Ein selbst erzeugter, guter Wein, das ist die Triebfeder der meisten Bewohner des Périgords – und daran soll sich auch bitte nichts ändern! Vor allem dann nicht, wenn ein amerikanischer Weinkonzern sich dieses herrlichen Plätzchens Erde bemächtigen will. Im Tal gärt es, alte Freundschaften zerbrechen, noch ältere Feindschaften werden – zumindest zeit- und teilweise – begraben um im Kampf gegen die Wein-Multis und Globalisierungsgewinnler bestehen zu können. Und mitten drin: Chef de police, Bruno. Einziger Dorfpolizist, Schwarm aller potentiellen Schwiegermütter der Umgebung und die meist unkonventionelle Lösung für (fast) alle Probleme.
Die selten prickelnde Handlung des Kriminalfalles fließt hier so ruhig, fast emotionslos dahin wie der zumeist träge Fluss durch das beschauliche Saint-Denis. Viel entscheidender sind wiederum die Charaktere der Protagonisten und der unverwechselbare und intensive Lokalkolorit des Buches, das diesem kulinarischen Wein- und Reiseführer mit kriminalistischem Hintergrund seinen Stempel aufdrückt.
Und somit ist auch Grand Cru, der zweite Fall von Martin Walker eher eine Liebeserklärung an das Périgord, seine Menschen und den Wein, denn ein Krimi. Vielleicht jedoch sind diese beiden Fälle um Bruno der Anbeginn einer weiteren Ära von Ermittlern á la Donna Leons venezianischen Guido Brunetti oder Andrea Camilleris Commissario Montalbano? Der Anfang dazu ist gemacht ...
Fazit: Erreicht leider nicht ganz den Flair und Charme seines Vorgängers.
Wolfgang Gonsch
© 2011 Wolfgang Gonsch, Harald Kloth