Donna Leon

Kurioses aus Venedig

Mit einer Vivaldi-CD "Il Complesso Barocco"

Donna Leon hat absolut recht: Geschichten, Anekdoten oder Begebenheiten sind wie ein Risotto. Während das Ganze vor sich hin köchelt, werden immer wieder passende Zutaten beigegeben. So wie man beim Kochen den Reis, die Brühe und die restlichen Zutaten zu einem schmackhaften Mahl zusammenfügt, die richtigen Gewürze beimengt und mit einem guten Schluck Wein serviert, so nimmt man einfach wahlweise ein Gerücht oder eine Tatsache und gibt unter ständigem Rühren deftige, Augen zwinkernde oder eben gerade passende Details hinzu. So verdichten sich beim lange genug dahin köcheln nicht nur das leckere Risotto, sondern auch die Geschichten und Kuriositäten – und da insbesonders die Venezianischen!

 

Fasste die Autorin bereits in ihrem Buch bzw. Hörbuch Eine Amerikanerin in Venedig viele kleine venezianische Geschichten und Anekdoten vor allem aus der neueren Zeit zusammen, kommen in diesem für meinen Geschmack leider etwas zu kurz geratenen Lesevergnügen sieben literarische Kuriositäten – von liebevoll bis mörderisch, von verschwenderisch bis tragisch - aus fünf Jahrhunderten zum Zug, die wunderbar durch die beiliegende Musik-CD untermalt werden. Das Ensemble Il Complesso Barocco spielt hierzu auf historischen Instrumenten Konzerte des venezianischen Meisters Antonio Vivaldi, die nicht besser zum Gelesenen passen könnten. Sofort zieht es einen durch das Gehörte gedanklich in die Lagunenstadt, spürt den unvergleichlichen Flair, der von La Serenissima ausgeht und hat Bilder vor Augen, die jeder Venedig-Besucher von dieser einzigartigen Stadt aufgesogen hat.

 

Besonders fällt auf, dass sich die Autorin – obwohl sie schon sehr lange in Venedig zu Hause ist - ihren Blick für das Besondere, das Andere bewahrt hat. Sie betrachtet die Dinge und Geschehnisse immer noch aus einer etwas anderen, entfernten Perspektive und würzt die Anekdoten gefühl- und humorvoll mit viel Gespür für die Menschen und ihre Stadt. So erfahren wir in den Kurzgeschichten u. a. warum es seit dem Mittelalter eine „Ponte delle Tette“ gibt, wie die „Riva di Biasio“ zu ihrem Namen kam und die verschwenderische Schönheit in Venedig Einzug hielt um sich bis heute zu halten. Ob dies jedoch alles der Wahrheit entspricht? Egal! Wir können und wollen es glauben - oder auch nicht.

 

Leider dauert dieses doppelte Vergnügen nicht sehr lange, denn die sieben Geschichten hat man schneller verschlungen als Antonio Vivaldis Musik auf der beiliegenden CD dauert – schade eigentlich!

 

Fazit: Bis zum Ende der Musik bleiben nur noch zwei Dinge. Die Betrachtung der Meisterwerke von Longhi, Tintoretto oder Canaletto, die in diesem Büchlein Einzug gefunden haben. Und die Hoffnung, dass Donna Leon noch viele Tage und Stunden in den venezianischen Archiven wühlen möge, um noch viele weitere, solch herrlicher Geschichten (egal ob wahr oder nicht!) zu Papier zu bringen.

 

Wolfgang Gonsch

4 Sterne
4 von 5

© 2011 Wolfgang Gonsch, Harald Kloth