Donna Leon

Latin Lover

Von Männern und Frauen

Die Bestseller-Autorin und Schöpferin von Commissario Guido Brunetti begibt sich wie schon bei Eine Amerikanerin in Venedig auf ein für ihre Fans fremdartiges Terrain. Sie bearbeitet in ihren ungeheuer farbigen Sozialporträts sehr sensible und unbequeme Fragen der gegenwärtigen Gesellschaft mit politisch leicht fragwürdigem Zynismus.

 

Wie schon in ihren vorangegangenen Kriminalromanen beschreibt sie die verkrusteten Strukturen einer mitleidlosen Gesellschaft der sogenannten zivilisierten Welt in all ihren Facetten und Auswüchsen, ohne auch nur den geringsten Ansatz zur Lösung dieser Problematiken aufzuzeigen zu können.

 

Andererseits ist dieser Band aber auch eine wundervolle Liebeserklärung an ihre Wahlheimat Italien und deren Bevölkerung (vor allem der männlichen!). Sie zeigt in gnadenlosen Nahaufnahmen all die Stärken und Schwächen auf, die den Mann zu einem liebenswürdigen und -werten "Übel" machen.

 

Der Band geht unter anderem auf die Frage ein warum Männer die Wärme einer Familie brauchen und doch fremd gehen, warum ein New Yorker über 30 normalerweise verheiratet oder schwul ist oder nimmt auch nur die schlechten Redegewohnheiten ihrer amerikanischen Landsleute aufs Korn. Auf die Lage der Frauen in Bangladesh und China geht die Professorin für englische und amerikanische Literatur sehr eingehend ein und nimmt bei ihren knallharten Analysen kein Blatt vor den Mund.

 

Auf den Punkt gebracht stellt dieses Buch ein sozialkritisches Sammelsurium von sentimentalen, aber auch aufwühlenden Aufsätzen und Kolumnen aus diversen Zeitungen und Zeitschriften zum Thema "Mann und Frau" dar. Dabei kommt die Autorin, wie so viele vor und wahrscheinlich auch nach ihr zu dem Ergebnis: "Ohne Männer geht es nicht!"

 

Fehlende Erklärungen beziehungsweise Übersetzungen prägnanter italienischer Ausdrücke und Redewendungen, welche das Buch bereichern, werden für manchen Leser, der des Italienischen nicht mächtig ist, zu kleinen Stolpersteinen, trüben den uneingeschränkten Lesegenuss aber nicht im geringsten.

 

Fazit: Ein Buch zum Nachdenken.

 

Wolfgang Gonsch

5 Sterne
5 von 5

© 2003 Wolfgang Gonsch, Harald Kloth