München ; Dt. Taschenbuch-Verl. ; 2012 ; 539 Seiten ; ISBN: 978-3-423-28002-0
Jussi Adler Olsen, Dauergast auf den Bestsellerlisten vieler Länder, hat mit Verachtung den vierten Fall für das Sonderdezernat „Q“ um Carl Morck und seinen Assistenten Assad vorgelegt.
Der Prolog des Romans handelt im Jahr 1985. Der wohlhabende und angesehene Arzt Dr. Andreas Rosen und seine Ehefrau Nete sind auf einem Fest, wo Nete vom Gynäkologen Curt Wad vor allen Gästen angegriffen und als Hure bezeichnet wird. Desweiteren plaudert er ihre entsetzliche Vergangenheit aus und auch, dass sie sterilisiert wurde. Das geschockte Paar verlässt die Party – auf der Heimreise will sich Andreas Rosen – aufgrund dieser Offenbarung voller Verachtung für seine Frau - von Nete trennen. Vor einer steilen Böschung zum Meer hinab greift Nete Ihrem Mann ins Lenkrad und das Auto stürzt ins Meer, Andreas Rosen stirbt und Nete wird zur reichen Witwe.
Im November 2010 wird die Inhaberin eines Escort-Service überfallen und mit Schwefelsäure übergossen. Es stellt sich heraus, dass es die Schwester von Borge Bak ist, eines ehemaligen unbeliebten Polizeikollegen Carls. Aufgrund dieses Delikts erinnert sich die Dezernats-Sekretärin Rose an einen der alten ungeklärten Fälle, die noch bei der Sonderabteilung liegen. 1987 ist die wohlhabende „Nachtclubdame“ Rita Nielsen spurlos verschwunden, nur ihr Mercedes wird gefunden, es wurde als Selbstmord abgetan. Es tauchen dann noch vier weitere Vermisstenfälle aus dem Jahr 1987 auf. Langsam erkennen die Ermittler, dass die Schicksale dieser Personen eng mit dem von Nete und auch Curt Wad zusammen hängen.
Auf der Insel Sprogo gab es von 1923 bis 1959 eine sogenannte Besserungsanstalt, in der an die 1.500 Frauen gefangen gehalten wurden, die aus schwierigsten sozialen Verhältnissen stammten und angeblich schwachsinnig waren, viele kamen aufgrund ungewollter Schwangerschaften in das Heim. Ihnen wurde vorgeworfen, sie seien „leichte Mädchen“, verbreiten Geschlechtskrankheiten und brächten degenerierte Kinder zur Welt.
Curt Wads Vater, ebenfalls Gynäkologe, hat in den 20er und 30er Jahren im Namen der Gesetze zur Rassenhygiene und Eugenik die Frauen auf Sprogo zu Abtreibungen gezwungen und in den meisten Fällen zwangssterilisiert. Nach der Zeit des dritten Reichs führte Wad mit seinem Sohn Curt dieses Vorgehen als ihren „geheimen Kampf“ weiter.
Curt Wad ist bis in die Gegenwart mit seinem Gedankengut politisch sehr aktiv und hat nicht wenige Anhänger. Er hat die Vereinigung „Klare Grenzen“ gegründet, ein rechtspopulistischer Verein, der sich gegen alle Fremden und für die „Verteidigung der Reinheit des dänischen Blutes“ und für moralische Werte ausspricht. Er hat aber auch viele Gegner und Feinde. Ein Opfer dieses frauenverachtenden Arztes und seiner Mittäter plant eine grausame Rache an all ihren Peinigern.
Die Verstrickungen in diesem Fall verbinden mehrere Geschichten sehr geschickt miteinander und man ist als Leser oft ergriffen von den einzelnen Schicksalen, zumal man erfährt, dass es diese sog. „Kellerschen Anstalten“ bis in die 60er Jahre tatsächlich so gab.
Erwähnenswert ist natürlich noch, dass es mit Carl Morck und Assad trotz der Schwere der Themen doch immer wieder Szenen zum Schmunzeln gibt und so die Unterhaltsamkeit des Romans gesteigert wird.
Fazit: Der Roman ist sehr spannend, man möchte ihn am liebsten in einem Atemzug durchlesen. Am Schluss kommt es noch zu einer völlig unerwarteten überraschenden Wendung, die einem fast den Atem stocken lässt.
Tanja Lentner
© 2012 Tanja Lentner, Harald Kloth