Ken Follett

Die Tore der Welt

Historischer Roman

Jeder, der Ken Folletts Bestseller Die Säulen der Erde gelesen hat, wird nach diesem epischen Werk einen schlechten Nachgeschmack bekommen haben, als er merkte, dass es mit den Geschichten um die fiktive Stadt Kingsbridge schon vorbei ist. Für alle, die mehr wollen, ist jetzt die Erlösung von der Durststrecke gekommen: Mit dem 1.300seitigen Buch Die Tore der Welt ist endlich der langersehnte Nachfolger erschienen. Was bleibt, ist die Frage, ob Ken Follett seine Meisterleistung wiederholen konnte. Werden die Abgründe der menschlichen Seele wieder so hervorragend skizziert? Wird man wieder in die Welt des Mittelalters, eine Welt jenseits der Klischees von Glanz und Gloria, eintauchen dürfen? Wir werden sehen!

 

Als erstes ist anzumerken, dass der Autor es sich Gott sei Dank spart, die Charaktere zu Beginn vorzustellen. Stattdessen entwickeln sich die Protagonisten ständig weiter, in einem oft tödlichen Gewirr aus Intrigen, dem Streben nach Macht und Gefühlen kommen immer neue Facetten der Persönlichkeiten ans Licht. Dadurch bekommt man nie das Gefühl, die Helden dieses Epos wirklich zu kennen. Kurz, sie sind Menschen, Menschen wie du und ich, nur in einer anderen Welt, die aber nicht so verschieden zu unserer ist, wie wir oft gerne glauben möchten. Im 14. Jahrhundert gab es keine den Markt kontrollierenden und beherrschenden Kartelle, keine beratungsresistenten Politiker, keine Terroristen und auch keine staatlichen Kontrollen. Die im Mittelalter omnipräsenten Gilden, konservativen Prioren und Vogte, Geächteten und der Würgegriff von argusäugigem Adel und Klerus standen dem in nichts nach. Zudem gelingt es Ken Follett wieder, die Hauptfiguren Normalsterbliche sein zu lassen, keine Übermenschen, sondern wie jemanden, der gleich bei uns um die Ecke wohnen könnte.

 

Der Roman erzählt die Geschichte rund um vier Personen, Menschen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten, deren Schicksale jedoch nach einem verhängnisvollen Ereignis auf immer und ewig verbunden bleiben: Caris, die eigensinnige Tochter eines Händlers, die um jeden Preis ihre Freiheit will; Merthin, der das Genie als Baumeister von dem legendären Kathedralenbauer Jack Builder geerbt hat; Merthins Bruder Ralph, der einen starken Killerinstinkt besitzt und für den Aufstieg in den Adel über Leichen gehen würde und Gwenda, deren einziges Leitmotiv die Liebe ist. Sie alle schlagen sich in einer Welt durch, die von Gewalt, Unfreiheit, Rachedurst und Eitelkeit geprägt ist. Schließlich fällt auch noch das Leichentuch des Mittelalters, die Pest, über das Land.

 

Ken Folletts Fähigkeiten als Literat und als Erzähler sind wahrhaft enorm, was hier klar zu erkennen ist. Der rote Faden des Buches verläuft nie gerade, immer gibt es unerwartete Wendungen, die Spannung lässt nie nach. Auch geht hier die Handlung nicht in einer Flut von Details unter, sie wird dadurch erst richtig lebendig und man sieht wieder einmal, dass auch die kleinsten Dinge die Zukunft entscheidend verändern können. Positiv fällt auch auf, dass der Autor weis, worüber er schreibt und man lernt wie in Die Säulen der Erde einiges über Architektur und mittelalterliche Handwerkskunst.

 

Ken Follett ist mit Die Tore der Welt schon das zweite Mal etwas gelungen, was andere Weltklasseautoren in ihrem Leben niemals zustande bringen: Den Leser in eine Welt eintauchen zu lassen, die tief unter der Oberfläche aus Ruhm, Ehre und Herrlichkeit liegt. Eine Welt hart und grausam, eine Welt, die auch die unsere sein könnte.

 

Fazit: Ein Weltklasse-Roman!

 

Vitus Gonsch

5 Sterne
5 von 5

© 2008 Vitus Gonsch, Harald Kloth