Dies ist die Geschichte eines Untergangs, eines Zerfalls. Wir befinden uns im ausgehenden 18. Jahrhundert und wieder einmal in der wahrscheinlich faszinierendsten Stadt auf unserem Planeten - Venedig!
Napoleon schickt sich an ganz Europa unter seine Fittiche zu bringen und die Venezianer zelebrieren trotz aller Nöte noch einmal ihren geliebten Karneval. Die Dekadenz der Einwohner treibt die wundersamsten Blüten; keinem kann man mehr trauen, die Wände haben Ohren, Vorhänge bauschen sich, Parkettböden knarren. Verrat und Intrigen scheinen zu dieser Zeit die Lieblingsbeschäftigung der Gesellschaft zu sein.
In diesem Venedig - das sich zwischen Prunk, Pracht und Verwesung befindet - lebt der Tuchfabrikant Alvise Lanzi. Dieser ist gerade zum vierten Male Witwer geworden und schon kocht die Gerüchteküche über; sind doch alle vier Damen unter ungeklärten, grausamen und qualvollen Umständen zu Tode gekommen. Doch jede Untersuchung, egal ob offiziell oder verdeckt verläuft im Sande.
Die Autorin versucht hier auf nur 110 Seiten einen unglaublichen Spagat: sie zeichnet einerseits ein Sittengemälde von La Serenissima und zaubert gleichzeitig einen Krimi hinein. Leider gelingt ihr beides (schon aufgrund der Kürze wahrscheinlich unmöglich) nicht unbedingt!
Zwar erscheinen vor unserem inneren Auge die stinkenden Kanäle mit ihren Abwassern und Fäkalien, stehen wir vor prächtigen Palästen und fahren mit der Gondel über den Canale Grande und es keimt auch ab und zu so etwas wie Spannung auf, doch sucht man irgendwie vergeblich nach einem roten Faden oder nach einem literarischen Fixpunkt.
Man kann daher dieses Werk auch nur sehr bedingt einordnen bzw. würdigen: ist es ein Gesellschaftsroman? Eher nicht! Vielleicht doch ein geschichtliches Werk? Wohl auch nicht! Eine Komödie etwa? Nein! Tja, aber ein Krimi ist es schon gar nicht! Und trotzdem ist es schon aufgrund der wunderbaren Stilistik und der sprichwörtlichen Lust am Formulieren der im Jahre 2002 freiwillig aus dem Leben geschiedenen Autorin ein gut zu lesendes Buch, auch wenn es andererseits ein bisschen seltsam oder zumindest merkwürdig anmutet.
Fazit: Unbeschreiblich und außergewöhnlich.
Wolfgang Gonsch
© 2005 Wolfgang Gonsch, Harald Kloth