Zwölf legendäre Doku-Dramen erzählen Geschichte von der Wannseekonferenz bis zur Wiedervereinigung
Mit ausgewählten Beiträgen aus der ZEIT
2007
Vom Jahrhundertverbrechen an den Juden - bis zur friedlichen Wiedervereinigung, von der europäischen Einigung - bis zum Terrorismus im „Deutschen Herbst“. Wenige Länder der Erde besitzen eine so wechselvolle und zugleich interessante Geschichte wie Deutschland.
Die DVD-Box von Dölling & Galitz enthält zwölf Filme zu historischen Schwerpunkten der neueren deutschen Historie. Im Einzelnen sind folgende Titel enthalten:
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Die Wannseekonferenz
Regie: Heinz Schirk; mit Harald Dietl, Jochen Busse, Robert Atzorn, Dietrich Mattausch
1984, Bayerischer Rundfunk, 90 Minuten
Die bemerkenswerte Rekonstruktion des berüchtigten Treffens von Nazi-Größen am 20. Januar 1942 - um den Holocaust an den Juden zu organisieren. Prominent besetzt ist diese DVD-Erstveröffentlichung ein erschreckendes 90minütiges Stück Geschichte (genauso lange dauerte die Geheimkonferenz), das kammerspielartig ohne herkömmliche Spielhandlung auskommt. Zahlreich ausgezeichnet, unter anderem mit dem Grimme-Preis. -
Eine geschlossene Gesellschaft
Regie: Heinrich Breloer; mit Dietmar Bär, Ben Becker, Ernst Jacobi
1987, Westdeutscher Rundfunk, 195 Minuten
Einen Teil der deutschen Moral in den fünfziger Jahren thematisiert diese DVD-Erstveröffentlichung. Adolf-Grimme-Preisträger Breloer zeigt in zwei sehr persönlichen Filmen (Teil 1: Die Rekordbeter / Teil 2: Die Freigeister) die Geschichte seines 9jährigen Aufenthalts in einem Jesuiten-Internat. Intime, teils schmerzliche Erinnerungen zwischen Beichstuhl, katholischer Angstlehre und kleiner Fluchten in Musik und Literatur. Nur in dieser Box erhältlich. -
Der Aufstand
Regie: Hans C. Blumenberg; mit Herbert Knaup, Jan Josef Liefers, Christian Redl, Jürgen Vogel
2003, ZDF, 122 Minuten
Der Volksaufstand des 17. Juni 1953 in der DDR - spannend und realitätsnah inszeniert. Blumenberg inszenierte 2000 bereits Deutschlandspiel (auch in dieser Box enthalten), viele Tatort-Folgen und 2004 Die letzte Schlacht, in dem er die Kämpfe 1945 um Berlin zum Thema machte. -
Die Nacht der großen Flut
Regie: Raymond Ley; mit Ulrich Tukur, Christiane Paul, Florian Lukas
2005, ARD/NDR/arte, 150 Minuten
1962 wurde Hamburg von einer katastrophalen Sturmflut heimgesucht. Dieses Doku-Drama ist die bisher beste filmische Aufarbeitung dieser Katastrophe, in der der spätere Bundeskanzler Helmut Schmidt eine wichtige Rolle spielte. Die Spielszenen zeigen abwechselnd betroffene Menschen und die politischen Entscheidungsträger. Ausgezeichnet mit dem Deutschen Fernsehpreis 2006 als beste Dokumentation. -
Der Polizeistaatsbesuch - Beobachtungen unter deutschen Gastgebern
Regie: Roman Brodmann
1967, SWR, 44 Minuten
Der 1990 verstorbene schweizer Filmemacher Brodmann drehte im Sommer 1967 eine Reportage über den Besuch des Schah von Persien Mohammad Reza Pahlavi. Als einzigem Filmer gelingt es Brodmann den Tod des Studenten Benno Ohnesorg festzuhalten. Dieses seltene historische Dokument ist als DVD-Erstveröffentlichung und bislang nur in dieser Box erhältlich. -
Der Olympia-Mord - München `72 - Die wahre Geschichte
Regie: Sebastian Dehnhardt/Uli Weidenbach/Manfred Oldenburg
2006, ZDF, 90 Minuten
Der 1968 geborene Dehnhardt hat eine Vielzahl an zeitgeschichtlichen Dokumentationen gedreht. Darunter Apokalypse Vietnam und viele - teils preisgekrönte - Dokumentationen zum Zweiten Weltkrieg. Neben Kevin Macdonald´s Doku Ein Tag im September ist Der Olympia-Mord die zweite wichtige filmische Rekonstruktion dieses Desasters. DVD-Erstveröffentlichung. -
Im Schatten der Macht
Regie: Oliver Storz; mit Michael Mendl, Dieter Pfaff, Matthias Brandt
2003, NDR, 180 Minuten
Der Drehbuchautor und Regisseur Storz hat sein Polit-Drama um die Guillaume-Affäre bis in Nebenrollen hinein mit herausragenden deutschen Schauspielern besetzt (z. B. Barbara Rudnik, Jürgen Hentsch, Michael Quast, Ulrich Mühe). Ungewöhnlich ist sicherlich die Besetzung des DDR-Spions Günter Guillaume mit Matthias Brandt (dem Sohn von Willy und Rut Brandt!). Stimmungsvoll und mit viel Liebe zum Detail werden die Ereignisse, die schließlich zum Sturz des damaligen Bundeskanzlers führten, nachgezeichnet. -
Todesspiel - Teil 1: Volksgefängnis
Regie: Heinrich Breloer; mit Hans Brenner, Manfred Zapatka, Sebastian Koch
1997, WDR/NDR, 88 Minuten
Das Doku-Drama stellt die Ereignisse der Schleyer-Entführung im „Deutschen Herbst“ 1977 nach. Durch die Entführung des Arbeitgeberpräsidenten sollte der deutsche Staat erpresst werden, inhaftierte RAF-Häftlinge freizulassen. Eine beklemmende Rekonstruktion der Ereignisse, mit einem - auch nach Jahren - sichtlich bewegten Helmut Schmidt im Interview. Hans Brenner als Hanns Martin Schleyer in seiner vielleicht überzeugendsten Rolle. Vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Bayerischen Fernsehpreis 1997 und dem Goldenen Löwe 1997. -
Todesspiel - Teil 2: Entführt die Landshut
Regie: Heinrich Breloer; mit Hans Brenner, Manfred Zapatka, Sebastian Koch
1997, WDR/NDR, 89 Minuten
1977 kidnappen palästinensische Terroristen den Lufthansa-Jet Landshut. Nach einem Irrflug durch mehrer Länder findet die Odyssee schließlich in Mogadischu ihr Ende. Das Leiden der Passagiere wird erschütternd dargestellt. Die überzeugend ehrlich wirkenden Interviewpartner (Helmut Schmidt, Hans-Jürgen Wischnewski, Ulrich Wegener) geben dem Doku-Drama eine Intensität, die auch nach Jahren noch beeindruckt. Zurecht vielfach ausgezeichnet. Eine der besten deutschen Doku-Dramen überhaupt. -
Deutschlandspiel - Teil 1: Auf die Straße
Regie: Hans C. Blumenberg; mit Peter Ustinov, Rudolf Wessely, Nicole Heesters
2000, ZDF/arte/NDR, 90 Minuten
Die Ereignisse, die zum Zusammenbruch der DDR führten, werden mit Hilfe von Originalaufnahmen, Interviews und Spielszenen deutlich gemacht. Glänzend gemachter Geschichtsunterricht - wenngleich nicht alles zu 100 Prozent rekonstruiert werden kann. -
Deutschlandspiel - Teil 2: Eilig Vaterland
Regie: Hans Christoph Blumenberg; mit Peter Ustinov, Rudolf Wessely, Udo Samel
2000, ZDF/arte/NDR, 90 Minuten
Die deutsche Wiedervereinigung als spannende deutsche Geschichte. Tatort-Regisseur und Drehbuchautor Blumenberg hat sich auch später mit deutscher Historie und Politik beschäftigt: Die Stunde der Offiziere (2003), Die letzte Schlacht (2005), Kanzleramt (2005). -
Jeder schweigt von etwas anderem
Regie: Marc Bauder
2006, ZDF, 72 Minuten
Der 1974 geborenen Filmemacher Bauder und Franke zeigen Familien im Umgang mit ihrer schweren Vergangenheit. Menschen, die aus politischen Gründen in das Justizsystem der DDR gerieten.
Natürlich können nicht alle wichtigen deutschen Filmdokumentationen in dieser Box enthalten sein. Man denke beispielsweise nur an Black Box BRD (RAF-Mord an Alfred Herrhausen), Stammheim (über die RAF-Prozesse), Die letzte Schlacht oder Der Untergang (beide über das Ende des Nazi-Regimes). Trotzdem ist die Auswahl über 50 Jahrzente deutscher Geschichte mehr als gelungen.
Alle Titel dieser Box entstammen der Produktion von ARD oder ZDF. So verwundert es nicht, daß diese (vorwiegend) Doku-Dramen hervorragend recherchiert und spannend umgesetzt wurden. Meist werden Spielhandlungen durch Interviews, Originalaufnahmen und Zeitzeugenberichte ergänzt.
Ein großes Manko darf nicht unerwähnt bleiben: Die DVDs haben leider keine Kapitelanwahl. Das ist sehr schade.
Im Rahmen der Edition Die Zeit Dokumentation liegt der Box auch ein 93seitiges Begleitbuch bei. Dieses beinhaltet ausgewählte Originalartikel der Tageszeitung Die Zeit von 1953 bis 1992 passend zum jeweiligen Kontext der Filmdokumentationen.
2008 erschien in ähnlicher Aufmachung die zwölfteilige DVD-Box Deutschland: Lenker und Gestalter, mit einem Blick auf zwölf deutsche Politiker, Unternehmer und Denker.
Fazit: Mit dieser Box wird deutsche Geschichte lebendig und gerade für jüngere Menschen interessant - weil nachvollziehbar und meist spannend aufbereitet. Diese Box ist eine unverzichtbare Sammlung für jeden geschichtsinteressierten Menschen in Deutschland und durch die ansprechende Aufmachung eine Zierde für jede DVD-Sammlung. Absolut Empfehlenswert!
Harald Kloth