Heike B. Görtemaker: Eva Braun

Leben mit Hitler

München ; C. H. Beck ; 2010 ; 366 Seiten ; ISBN 978-3-406-58514-2

 

Es gibt nur wenige Personen in der Entourage vom Hitler, über die sich so viele Gerüchte ranken wie über Eva Braun, seine Geliebte, seine Lebensgefährtin und für wenige Stunden seine Frau. Obwohl bereits zahlreiche Biografien über ihr Leben erschienen sind, blieb bis dato aufgrund der diffusen Quellenlage ihre wahre Rolle an der Seite des Führers weiter unklar. Nun versucht die Berliner Historikerin Heike B. Görtemaker den Nebel der Gerüchte zu lichten. Um es vorwegzunehmen, dies gelingt ihr aufgrund der immer noch unsicheren Quellenlage nicht vollumfänglich.

 

1929 kommt es im Atelier seines Leibfotografen Heinrich Hoffmanns zum ersten Kontakt zwischen der damals Siebzehnjährigen Eva und dem über zwanzig Jahre älteren Hitler. Offensichtlich angetan von Ihrer Anmut und Schönheit trafen sich die Beiden in der Folge in unregelmäßigen Abständen, stets jedoch abseits der Öffentlichkeit. Es sollte Hitler´s einzige Frau in seinem Leben bleiben. Aus einer anfänglich lockeren Beziehung wird schließlich eine Beziehung auf Gedeih und Verderb.

 

Während sich die nationalsozialistischen Größen mit den schönsten Frauen umgaben, sich mit der Zahl ihrer Geliebten brüsteten und mit ihrer Männlichkeit und ihrem „Stehvermögen“ prahlten, war deren Führer Adolf Hitler als „Sexsymbol“ nicht geeignet, er war ausschließlich mit nur einer Frau, mit Eva Braun liiert. Aber auch der schenkte er zunächst nicht die notwendige Aufmerksamkeit, seine volle Konzentration galt dem Streben nach der Herrschaft über den europäischen Kontinent. Seine Begierde nach Macht stellte alle anderen Begierden in den Schatten. Obwohl das nationalsozialistische Regime kinderreiche Ehen förderte und alles dem Erhalt, besser der Vermehrung von Art und Rasse zu dienen hatte, blieb der Führer kinderlos. Die Frau gehörte an den Herd und sollte sich um die Familie kümmern. Bei Hitler und Eva Braun verhielt es sich anders. Eine der vielen Widersprüche des NS-Regimes.

 

Zunächst von Hitler nicht adäquat wahrgenommen und oftmals links liegengelassen, zeigte ihm Eva Braun mittels zweier Selbstmordversuche (ob nun ernst gemeint oder nicht lässt sich nicht mehr nachvollziehen) ihre bedingungslose Bindung, sie war sogar bereit für ihn in den Tod zu gehen. Hitler, Eva Braun zunächst unterschätzend, war davon sichtlich beeindruckt und verbrachte nun wann immer möglich seine Zeit mir ihr. Als dann 1936 Angela Raubal, die Halbschwester Hitlers, den Berghof verließ, wurde Eva Braun´s Position an der Seite des Führers unantastbar. Der Berghof mit seiner Hausherrin Eva Braun wurde zur heimlichen Regierungszentrale, hier entwickelte er seine Kriegspläne und Gesetze, hier empfing er seine Staatsgäste. Nur hier führten der Führer und seine Geliebte so etwas wie eine eheähnliche Beziehung.

 

In wie weit die Berghof-Runde in die politischen Geschehnisse eingebunden war, wie viel sie über die politische Verfolgung, später dem Genozid an die Juden wussten, ist nicht mehr nachzuvollziehen. Die verschiedensten Autobiografien der NS-Eliten tragen kaum zur Aufklärung bei, dienten diese doch meist nur dem eigenen Reinwaschen vor jeglicher Schuld. Allerdings, so die Autorin, war in Hitler´s Berghofentourage Politisches von Privatem kaum zu trennen. Auf alle Fälle konnte er dort auf eine stets loyale und linientreue Zuhörerschaft für seine utopischen Ziele rechnen. Auch Eva Braun scheint Hitler´s Weltanschauung nicht kritisch hinterfragt zu haben. Erst nach dem Scheitern bei Stalingrad Anfang 1943 änderte sich die zumeist ausgelassene Stimmung auf dem Berghof, die Loyalität gegenüber den unantastbaren und unfehlbaren Führer blieb davon aber unbenommen.

 

Hitler schätzte offensichtlich Eva Braun sehr, wollte diese aber nicht heiraten, um ihren Einfluss und Macht einzugrenzen und sich bzgl. einer Ehe nicht angreifbar zu machen. Jeder musste zu seiner Privatsphäre auf Distanz bleiben. Hitler durfte als allgegenwärtiger Führer keine Privatleben haben, er war einzig und allein dem deutschen Volk verbunden. Besonders im Krieg musste Braun wieder längere Zeiten der Trennung hinnehmen. Seine Geliebte an der Front konnte Hitler nicht dulden. Schließlich formierten sich Anfang 1945 die Ewiggetreuen in der Reichskanzlei und sahen ihrem Ende entgegen. Eva Braun hatte bewusst Ihr Leben bedingungslos mit dem von Hitler verbunden. Dies verdeutlichte sie spätestens in ihrem Testament vom Oktober 1944. Der gemeinsame Tod war die logische Konsequenz.

 

Im Gegensatz zu bisherigen Biografien über Eva Braun, schreibt Görtemaker, wann immer erforderlich, klipp und klar, wenn die Quellenlage unsicher ist. Sie verweigert einen Trip ins Spekulative und stellt so einige, bisher als „Wahrheit“ geltende Zusammenhänge in Frage. Die Autorin beschreibt anschaulich den engeren Zirkel um Hitler, insbesondere der Berghof-Kreis scheint in den vordergründig der Erholung dienenden und damit belanglosen Aufenthalten Hitlers auf dem Obersalzberg einen nicht unerheblichen Einfluss auf ihn gehabt zu haben. Eva Braun, sonst von der Öffentlichkeit fern gehalten, konnte hier spätestens ab 1936 als Hausherrin ihre Rolle als „First Lady“ ausspielen. Ansonsten blieb diese Rolle bei Magda Goebbels.

 

Görtemaker schreibt eigentlich eine Geschichte um die Geschichte, nähert sie sich doch der Person Eva Braun durch eine Beschreibung des und ihre Rolle im engeren Zirkels Hitlers, seien dies Brandt, Bormann, Speer, Goebbels, Göring oder auch Heß. Stets trennt sie dabei notwendige Beschreibungen zeitgeschichtlicher Ereignisse von Einblicken in private, persönliche Aspekte des Alltags.

 

Die Autorin hat sich selbst zum Ziel gesetzt, mit Lügen und Legenden über Hitler´s Lebensgefährtin aufzuräumen und aufzuzeigen, was wirklich zu belegen ist. Sie hält in ihrer Bewertung die notwendige Distanz, vermeidet jegliche Interpretationen. Auch wenn Sie nichts wesentlich Neues aufdeckt, sie korrigiert einige der bisherigen Mythen über die Person Eva Braun. Hierin liegt die wesentliche Leistung des Buches. Quasi nebenbei gibt sie einen zumindest kleinen Einblick in die bis heute verborgen gebliebene Privatsphäre des Führers.

 

Fazit: Insgesamt bringt Görtemakers mit ihrem fast schon belletristischen Schreibstil das geschichtliche Thema interessant an den Leser.

3/4 Sterne
3/4 von 5

© 2010 Andreas Pickel, Harald Kloth

 

StartseiteSachbuchGeschichte