Das verdrängte Erbe des Nazi-Kinos
(2014)
Für das Nazi-Regime 1933 bis 1945 stellten die deutschen Kinofilme (neben dem Rundfunk) ein wichtiges Propagandainstrument dar. Zwar wurden beim Fernsehen bemerkenswerte technische Fortschritte erzielt. Doch der Kriegsausbruch verhinderte die Einführung dieses Massenmediums. Zwar sollten die Kinofilme in erster Linie unterhalten. Unterschwellig transportierten sie dabei aber auch Hetze und Propaganda der Machthaber. Hitler und Goebbels waren bekennende Filmbegeisterte an der Spitze des "Dritten Reiches". So verwundert es nicht, dass - selbst nach heutigen Maßstäben - oft mit großem Aufwand Kinofilme produziert und damalige Stars als Schauspieler verpflichtet werden konnten.
Ein Teil dieser propagandistische Filmproduktionen werden heute als sogenannte "Vorbehaltsfilme" bezeichnet. Diese dürfen zum Beispiel öffentlich nur unter bestimmten Voraussetzungen vorgeführt werden. Doch wie soll unsere Gesellschaft mit diesem "kulturellen Erbe" umgehen? Sollen sie verboten bleiben bzw. werden? Weiterhin nur unter bestimmten Auflagen gezeigt werden dürfen? Sollten sie frei für Jeden verfügbar sein? Wie verhindert man bei einer Freigabe, daß sich Neonazis Kinos mieten und diese Filme aufführen? Führt heutzutage das Internet solche Reglementierungen nicht sowieso ad absurdum?
Der Regisseur Felix Moeller (Harlan - Im Schatten von Jud Süß (2008), Knef - Die frühen Jahre (2005)) versucht die Annäherung an das noch immer schwierige Thema
Deutsche Vergangenheitsbewältigung. Der in München geborene Filmemacher und Historiker schafft es, dieses umstrittene Feld der "Vorbehaltsfilme" faktenreich und visuell vortrefflich
aufzuarbeiten. Er nimmt dabei selbst nicht Stellung, sondern lässt viele Interviewpartner mit teils unterschiedlichsten Meinungen zu Wort kommen.
Moeller teilt seine 94minütige Dokumentation, die in der Edition Salzgeber erscheint, in folgende Kapitel auf:
- Heimkehren
- Jugend
- Antisemitismus
- Unterhaltung
- Entnazifizierung
- Stars
- Euthanasie
Ausschnitte aus ideologischen Filmen wie zum Beispiel Stukas, Ich klage an, Die Rothschilds, Kolberg, Heimkehr, Jud Süß, Ohm Krüger oder Über alles in der Welt verdeutlichen auch dem unbedarften und bisher mit dieser Thematik noch nicht in Berührung gekommenen Zuschauer die Wirkungsweise dieser teils äußerst effektiven Kinofilme. Gerade wenn die Propaganda nicht so offensichtlich scheint, zeigen sich antisemitische, rassistische oder kriegshetzerische Botschaften auf einer viel subtileren, vielleicht gefährlicheren Ebene.
Durchaus spannend anzusehen sind auch die Diskussionsrunden nach Kinovorführungen zum Beispiel in München, Paris und Jerusalem. Moellers Film versucht möglichst viele Aspekte dieser Nazifilme herauszuarbeiten, überlässt die abschließende Bewertung aber dem Zuschauer dieser ausgezeichneten Dokumentation.
Deutscher Kinostart: 6. März 2014. DVD-Veröffentlichung: 10. Oktober 2014.
Fazit: Ein ebenso wichtiges wie schwieriges Thema des Deutschen Films. Hochinteressant aufbereitet.
Harald Kloth
© 2015 Harald Kloth
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