Die Logik der Weltherrschaft - vom Alten Rom bis zu den Vereinigten Staaten
Berlin ; Rowohlt ; 2005 ; 331 Seiten ; ISBN 3-87134-509-1
Spätestens mit der Auflösung der Sowjetunion im Jahre 1991 gelten die USA als die einzig übrig gebliebene Supermacht und so lange sich China nicht bereit erklärt, Ihr Menschen- und Ressourcenpotenzial in ein zumindest demokratisch ähnliches Korsett zu stecken, wird dies wohl auf Jahre auch so bleiben. Während die Europäer sich mit ihren, zugegebenermaßen nicht leicht zu lösenden, innenpolitischen Problemen und Herausforderungen zu sehr selbst beschäftigen, versuchen sich die USA unter dem Schlagwort "Demokratisierung" als die Weltpolizei mit teils eigener Gesetzmäßigkeit und fragwürdiger Legitimation zu etablieren. Doch sind die USA wirklich eine Hegemonialmacht, oder gar ein Imperium und so mächtig wie einst das Römische Imperium.
Stellten in den vergangenen Jahren bereits andere Autoren den Vergleich USA - Rom an (zum Beispiel in dem Buch von Peter Bender, "Weltmacht Amerika - Das neue Rom"), beschäftigten sich Harald Müller mit der Supermacht in der Sackgasse oder Christian Haacke mit Amerika unter dem Titel Zur Weltmacht verdammt, oder wie Rober Kagan in seinem Essay Macht und Ohnmacht in provozierende Weise mit dem Verhältnis USA - Europa. Der Politikwissenschaftler Herfried Münkler, dem mit seinem Buch Die neuen Kriege 2002 ein Bestseller gelang, nähert sich in seinem neuen Buch Imperien (Rowohlt Verlag 2005) der Theorie der USA als neues Imperiums eher von der definitorischen und zeitgeschichtlichen Seite. Mittelpunkt bei ihm ist insbesondere die Frage nach dem Zweck, nach der Logik eines Imperiums.
Nach Münkler ist ein Imperium durch drei Hauptmerkmale charakterisiert: Erstens eine deutliche Trennung von einem Staat, das heißt keine einheitliche Bevölkerung (Nation), Staatsgrenzen und Staatsordnung, zweitens durch seine Abgrenzung zur Hegemonie (Hegemonie ist die Vorherrschaft innerhalb formal gesehen gleichberechtigter Akteure, während sich ein Imperium durch die Abhängigkeitsbeziehung Zentrum - Satelliten charakterisiert) und drittens durch die Abgrenzung zum Imperialismus. Kriterien für ein Imperium sind für ihn zeitlicher (es muss zyklisch nach einem Aufstieg ein Wellental durchschritten haben und sich erneut im Aufstieg befinden) und räumlicher (geoökonomischer) Art.
Nach diesen einleitenden Kapiteln entwickelt Münkler anhand von Beispielen aus der Geschichte Typen von Imperien, eingeteilt in Steppen- und Handelsimperien sowie Seereiche. Er skizziert hierbei eindrucksvoll nicht nur das Römische Weltreich, sondern auch die Imperien von Byzanz und Franken, das mongolische Reich, arabische Großreiche, den Aufstieg und Niedergang der portugiesischen, spanischen und niederländischen Seemächte, er streift einige chinesische Dynastien und gelangt über das zaristische Russland, dem Habsburgerreich und dem britischen Empire abschließend zu einigen nationalstaatlichen Kolonialmächten der letzten beiden Jahrhunderte. Aus meiner Sicht besonders gut aufgearbeitet ist das vorletzte Kapitel, welches sich mit dem Scheitern von Imperien aufgrund des so genannten "Overstretching" (Überdehnung) beschäftigt. Hierbei zeigt er auf wie sich auf der Zeitachse gesehen die Satelliten nach und nach gemeinschaftlich in eine Position des Starken bringt (nach Münkler die "Macht der Schwachen") und so das Imperium zum Sturz veranlassen.
Wer sich mit diesem Thema intensiver beschäftigen möchte, dem empfehle ich nachhaltig das beim DTV-Verlag in einer günstigen Taschenbuchausgabe erschienene Monumentalwerk von Edward Gibbon Verfall und Untergang des Römischen Imperiums. Das Buch schließt mit einer Synthese über das Weltmachtgehabe der "unverzichtbaren Nation" USA und der zweidimensionalen imperialen Herausforderung für Europa. Einerseits das Bewältigen von Konflikten in ihren Grenzregionen als Folge zerfallener Imperien und andererseits der Versuch wenigstens halbwegs auf Augenhöhe mit den Amerikanern politisch agieren zu können. Wollen wir nur hoffen, dass die EU nicht an diesen Aufgaben frühzeitig zerbricht, auch berücksichtigend, dass in der sich ständig erweiternde EU einige ihrer Satelliten aus dem Ruder laufen könnten.
In geringem Masse lässt sich Kritik an Münklers Analyse an drei Punkten festmachen. Zum einen wird der Zyklus der Sowjetunion nur beiläufig betrachtet, und bezüglich deren Niedergang nur der Faktor Überdehnung behandelt. Des Weiteren hätte man insbesondere im letzten Kapitel eine Prognose über die Perspektiven Chinas als "Imperienaspirant" und den daraus sich abzeichnenden Konflikt China - USA erwartet. Zuletzt kann man aus meiner Sicht die inneren Kräfte eines Imperienzentrums, die nicht stets nach irgendwelchen Gesetzmäßigkeiten handeln, nicht gänzlich vernachlässigen. Letztlich waren sie ein wesentlicher Grund für das Scheitern Amerikas in Vietnam und Ähnliches ist in naher Zukunft zu erwarten, wenn sich die amerikanische Irakpolitik nicht grundsätzlich ändert.
Fazit: Wurde noch Münklers letztes Buch "Der neue Golfkrieg" teils von der Kritik zerrissen, so ist "Imperien" insgesamt gesehen ein großartiges, interessant zu lesendes Buch, welches ich insbesondere demjenigen Nahe lege, welcher sich mit der gegenwärtigen Weltkonstellation und insbesondere der Rolle USA und der Europäischen Union und deren Interkorrelation auseinandersetzen möchte.
Andreas Pickel
© 2005 Andreas Pickel, Harald Kloth