Zsuzsa Bánk: Schlafen werden wir später

Roman

Frankfurt am Main ; S. Fischer ; 2017 ; 682 Seiten ; ISBN 978-3-10-005224-7

 

Die beiden Frauen Márta Horváth und Johanna Messner verbindet seit Kindertagen eine innige Freundschaft. Nun, da beide Anfang vierzig und räumlich voneinander getrennt sind, pflegen sie ihre Freundschaft, indem sie sich anrufen und vor allem indem sie sich beinahe täglich E-Mails schreiben. In diesen Nachrichten, die immer auch ein bisschen wie Tagebucheinträge wirken, lassen sie die Freundin am eigenen Leben teilhaben – mit allen Höhen und Tiefen.

 

Márta lebt in Frankfurt am Main, ist Schriftstellerin und Mutter von drei Kindern, was ihr Leben oft unerträglich kompliziert macht, weil sie einfach keine Ruhe zum Schreiben findet und doch einfach nur ihr Buch, einen Band voller Erzählungen, zu Ende bringen möchte.

 

Johanna, meist nur Jo genannt, ist Lehrerin und lebt in einem kleinen Ort im Schwarzwald. Neben ihrem Beruf schreibt sie an ihrer Doktorarbeit über Annette von Droste-Hülshoff und reist dementsprechend oft nach Meersburg an den Bodensee und nach Marbach ins Literaturarchiv.

 

Beide Frauen verbindet die Liebe zur Sprache und die leben sie in den E-Mails aus. Poetische Formulierungen, wunderschöne Wortschöpfungen und Sprachbilder schaffen die beiden und es scheint, als bräuchten sie die Korrespondenz, um das eigene Schreiben immer wieder neu zu entdecken und sich gegenseitig zu inspirieren.

 

Durch die jahrelange Freundschaft ist auch die gemeinsame Vergangenheit immer wieder Thema. Johannas verstorbene Eltern, ihr Bruder und ihre zurückliegende Krebserkrankung und Mártas ungarische Familiengeschichte halten immer wieder Einzug in die Unterhaltungen. Ebenso die Orte der Kindheit, die für beide Sehnsuchtsorte sind.

 

Viel geht es auch um verpasste Gelegenheiten und die Frage, ob das Leben, das man lebt zum ursprünglich erdachten Lebensentwurf passt. Oft wirkt es so, als wären die beiden Frauen Ertrinkende, die sich im Studel des Alltags gegenseitig über Wasser halten. Mit letzter Kraft so scheint es, schleppen sie sich zum Teil vor den Computer und tippen eine Nachricht an die Freundin. Meist hundemüde, aber wie beide es allzu oft betonen durchaus so gewollt: „Schlafen werden wir später.“

Die Freundinnen teilen alles miteinander und auch alles was schief läuft, wird schonungslos mitgeteilt. Diese Ehrlichkeit und Offenheit ist es auch, die eine Sogwirkung entfaltet. Man will teilhaben am Leben der beiden und wissen, wie sie ihren Alltag meistern oder eben wie sie an bestimmten Dingen scheitern.

 

Zsuzsa Bánks Roman ist eine moderne Form des Briefromans, der ausschließlich aus der E-Mail-Korrespondenz der beiden Frauen Jo und Márta besteht. Nebenbei wird daraus zugleich auch eine Huldigung der deutschen Sprache, weil die Freundinnen mit solcher Sprachliebe formulieren, dass es die reinste Freude ist, die Texte zu lesen. Immer wieder sind auch Droste-Zitate eingestreut, die den Text noch poetischer machen. Zu Beginn ist der Erzählstil zwar etwas sperrig und ungewohnt, aber Seite für Seite kommt man den Frauen näher. Am Ende wünscht man sich auch so eine sprachgewandte Freundin, mit der man sich austauschen kann.

 

Fazit: ein sehr außergewöhnlicher Roman über eine Frauenfreundschaft mit Höhen und Tiefen.

 

Sonja Kraus

4 Sterne
4 von 5

© 2019 Sonja Kraus, Harald Kloth