Das Brauhaus an der Isar, Band 1
Hamburg ; Rowohlt Polaris ; 2019 ; 445 Seiten ; ISBN 978-3-499-27673-6
Als Mädchen vom Land hätte es sich Antonia Pacher nie träumen lassen, einmal in der Großstadt München zu leben. Aufgrund der prekären finanziellen Situation ihrer Familie bleibt Antonia aber
letztlich nichts anderes übrig, als fortzugehen und in der Stadt Geld zu verdienen. Doch leichter gesagt als getan. Als Tagelöhnerin verdient Antonia ihr erstes Geld. Eines Tages nimmt sie eine
Arbeit beim berühmten Maler Franz Stuck an. Dort soll sie zunächst das Atelier reinigen, doch Stuck bemerkt schnell, wie hübsch Antonia ist und da ihm ein Modell abgesprungen ist, bietet er ihr
an, auf diese Weise Geld zu verdienen. Erst zögert Antonia, denn sich nackt zu zeigen gilt damals für die meisten Menschen noch als Sünde. Doch das viele Geld und die Neugierde lassen sie bald
zusagen. Schnell lernt sie so das schillernde München kennen - die Welt der Schwabinger Bohème.
Über den Künstler Stuck lernt Antonia auch den jungen Brauereierben Melchior Bruckner kennen. Dessen Mutter Franziska führt nach dem Tod ihres Mannes die Geschäfte der Brauerei Brucknerbräu. Doch
Ende des neunzehnten Jahrhunderts hat es eine Frau in dieser Männerdomäne nicht leicht. Noch dazu scheint sich Melchior eher für die schönen Künste zu interessieren und weniger für die Kunst des
Bierbrauens. Zumindest nicht für die herkömmliche Methode. Auch eine Vermählung mit der Tochter des Brauereibesitzers Alois Hopf scheint immer unwahrscheinlicher zumal immer deutlicher wird, dass
sich der skrupellose Hopf im Grunde nur die Brauerei unter den Nagel reißen will. Es ist eine Zeit des großen technischen Fortschritts und Melchior fasziniert dies so, dass er sich für ein
Studium an der technischen Universität einschreibt. Mit Hilfe der Kühlmaschine - einer Erfindung seines Professors Carl von Linde - experimentiert Melchior hinter dem Rücken seiner Mutter und
arbeitet an der Herstellung eines ganz neuen Bieres.
Er hofft, damit die Brauerei Bruckner auf das Oktoberfest zu bringen. Doch der Konkurrent Alois Hopf versucht, dies mit allen Mitteln zu verhindern. Durch die Bekanntschaft mit Melchior bekommt
Antonia eine Stelle in der Brauerei. Sie tritt Melchior allerdings stets mit gemischten Gefühlen gegenüber. Einerseits macht ihr seine Art Angst, doch andererseits empfindet sie etwas für diesen
Mann. Innerhalb der Belegschaft hat Antonia keinen guten Stand, denn in ihr sehen ohnehin viele nur eine Frau, die sich an den reichen Brauereierben heranmachen möchte. Werden die Vorurteile am
Ende bestätigt?
Die Autorin, die unter dem Pseudonym Julia Freidank veröffentlicht, lässt in ihrem Buch eine turbulente Zeit wiederaufleben. Äußerst bildreich schildert sie das Leben in der Stadt München Ende
des neunzehnten Jahrhunderts und lässt - ohne dass es sonderlich konstruiert wirkt - berühmte Persönlichkeiten der Zeit in ihrem historischen Roman auftreten. Die Autorin bringt der Leserschaft die Welt des Brauwesens inklusive der Details der Bierherstellung auf äußerst unterhaltsame Weise näher.
Sehr gut gelungen ist auch die Darstellung des vorherrschenden Stadt-Land-Gefälles im Hinblick auf Moralvorstellungen, Frauenbild und Kunstverständnis zur damaligen Zeit.
Fazit: ein toller Auftakt - man darf gespannt sein, wie es mit dem Brauhaus an der Isar weitergeht.
Sonja Kraus
© 2019 Sonja Kraus, Harald Kloth