Anja Jonuleit: Herbstvergessene

Roman

München ; dtv ; 2019 ; 634 Seiten ; ISBN 3-423-25413-0

 

Zu Beginn der Lektüre glaubte ich, einen dieser unbedeutenden 08/15-Massenromane vor mir liegen zu haben. Doch das erwies sich zum Glück als absolute Fehleinschätzung meinerseits!

Diese Geschichte von Anja Jonuleit beginnt völlig harmlos mit einem Telefonanruf, in dem die in Wien lebende Mutter, ihre Tochter Maja um ein Treffen bittet. Eine eher ungewöhnliche Bitte, da das Verhältnis der beiden zueinander seit langer Zeit nur noch aus jährlichen Geburtstagsgrüßen und oberflächlicher Weihnachtspost besteht.

Mit vielen Erwartungen an ihre Mutter Lilli im Gepäck kommt sie der Bitte nur zögerlich nach. Da sie als Kind stets den mütterlichen Ansprüchen und Vorstellungen nicht gerecht wurde, gestaltete sich die Mutter-Tochter-Beziehung als sehr schwierig, beide gingen schließlich ihre eigenen Wege und entfremdeten sich im Laufe der Zeit. Als Maja in Wien eintrifft, ist ihre Mutter jedoch kurz zuvor plötzlich verstorben. Selbstmord – so heißt die offizielle Angabe. Maja hatte zwar kaum Kontakt zu ihrer Mutter, doch an einen Selbstmord glaubt sie keinesfalls.

So beginnt sie neben der Organisation der Beerdigung mit Recherchen zu Lillis Leben, ihrem Umfeld und Freundeskreis. Immer tiefer dringt Maja in die geheimnisvolle Vergangenheit ihrer Mutter ein und beginnt nach und nach mit kriminalistischem Feingespür ein erschreckende Familiengeheimnis zu lüften. Der Autorin ist ein Roman geglückt, der sich von Seite zu Seite steigert und mich als Leserin dabei richtig gefesselt hat. Besonders der Prolog trieft vor Melancholie und unzähligen Rechtfertigungsgedanken der Tochter, die mit ihrer Vergangenheit hadert.

Bis zur Beerdigung Lillis ahnt niemand, welche geheimnisvollen, verschlungenen Wege in die brutale Vergangenheit Maja gehen würde um das Geheimnis zu erforschen und damit den fragwürdigen Selbstmord der Mutter aufzuklären. Es fällt schwer, eine Lesepause einzulegen, der Roman reißt mit und steigert sich unerwartet zum spannungsgeladenen Krimi. Dabei lehrt er, wie bedeutsam es ist, seine eigenen Wurzeln zu kennen. Wer bin ich? Wo komme ich her? Manchmal jedoch schmerzt die Wahrheit, wenn sie zum Vorschein kommt und vernichtet Illusionen. Aber sie kann auch befreiend sein und verändern, wie bei der Romanfigur Maja.

 

Als Groß- und Normaldruck erhältlich.

Fazit: Spannende Unterhaltung mit Geschichtshintergrund für lange Regentage und beste Ablenkung vom Coronawahnsinn!

Elisabeth Gonsch

5 Sterne
5 von 5

© 2020 Elisabeth Gonsch, Harald Kloth