Rainer F. Schmidt

Der Zweite Weltkrieg

Die Zerstörung Europas

Deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert, Band 10

In aktuellen Publikationen werden der Erste und Zweite Weltkrieg oftmals als der „Zweite Dreißigjährige Krieg“ tituliert. Unzweifelhaft sind gegenseitige Dependenzen sowie Ursache und Wirkung zwischen der „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“ und dem vergeblichen Weltmachstrebens des nationalsozialistischen Unrechtsregimes gegeben. Einige Autoren ziehen sogar eine Linie von den napoleonischen Kriegen über die Deutschen Einigungskriege bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs.

 

Ganz in diesem Sinne erschienen nun kürzlich im be.bra-Verlag die beiden Bücher von Sönke Neitzel Weltkrieg und Revolution sowie von Rainer F. Schmidt Der Zweite Weltkrieg.

Der be.bra Verlag wurde 1994 gegründet und hat sich als unabhängiger Verlag mit Publikationen zu den Themengebieten (Zeit-)Geschichte, Kultur und Architektur ein Renommee verschafft. Schwerpunkt der Betrachtung liegt in den Geschehnissen, die ausgehend von Zentraleuropa Auswirkungen auf ganz Europa hatten. Ganz auf dieser Linie liegend sind die Publikationen von Sönke Neitzel sowie Rainer F. Schmidt zu sehen (bisher noch erschienen der Band 9 von Brakel Holocaust), mit der die nicht immer einfachen Zusammenhänge der deutschen Geschichte vom Kaiserreich bis zur Wiedervereinigung kurz, verständlich und ansprechend dargestellt werden sollen.

 

Rainer F. Schmidt, geboren 1955, ist Professor für Neueste Geschichte und Didaktik der Geschichte an der Universität Würzburg. Zahlreiche Publikationen, unter anderem zu Reichskanzler Otto von Bismarck, zum Schottland-Flug von Rudolf Heß und zur Außenpolitik des Dritten Reiches 1933 bis 1939.

 

Absicht des Autors ist es, in seiner knappen Darstellung den Weg in ein geteiltes Deutschlands aufzuzeigen, ein Teil eingebettet in ein Staatenbündnis demokratischer Ausrichtung, der andere Teil in sein sozialistisches Pendant im Osten.

 

Schmidt legt den Schwerpunkt seines Buches auf den Kriegsverlauf, hinterfragt und untersucht aber auch parallel die Auswirkungen von eigentlich nicht mittelbar den Krieg beeinflussenden Faktoren wie Kriegssoziologie und Kriegsökonomie auf die Kriegsführung. Natürlich kann in so einer knappen Gesamtschau die Grausamkeiten des Krieges nur schwerlich vermittelt werden (siehe dazu zum Beispiel die Reihe Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes Band 8 und Band 10). Randbemerkungen zum Themenkomplex „Holocaust“ werden bewusst ausgeklammert. Trotzdem hätte eine zusammenfassende Betrachtung der in den letzten Jahren umfangreich aufgearbeiteten unmittelbaren Beteiligung der Wehrmacht an der Mordpolitik der SS das Buch sinnvoll ergänzt.

 

Auch anhand der nur knappen Beschreibung wird deutlich, dass spätestens ab 1943 die beabsichtigte Operationsplanung keine Aussicht auf Erfolg versprach. Trotzdem wurde Sie „ohne wenn und aber“ und ohne Rücksicht auf personelle und materielle Verluste durchgezogen wurde. Fanatismus sollte die Schere zwischen Auftrag und Mittel schließen. Blind vor Ergebenheit zu ihrem Führer gingen die Admiräle und Feldmarschälle ihren fatalen Weg bis zum Schluss weiter. Die völlig an der Realität der täglichen Geschehnisse vorbei handelnden und die Realität verleugnenden militärischen Führer trugen durch taktische Fehler und der blinden Unterordnung unter das Primat der Politik vorsätzlich zum Tode von Hundertausenden von Soldaten mit bei.

 

Wie der Autor richtig darstellt, waren Staatsbürokratie, Militär, Diplomatie und insbesondere auch die Wirtschaft in ihrer Programmatik und Unterstützungsleistungen für das Regime mit den Geschehnisse auf dem Gefechtsfeld sowie der Mordpolitik und der Totalisierung der Bevölkerung für den Krieg verknüpft. Dies war auch ein wesentlicher Grund dafür, dass die Kapitulation nicht nur zu einer militärischen und politischen, sondern auch zu einer moralischen Katastrophe für die Deutschen wurde - denn niemals vorher war die Diskrepanz zwischen dem Gewolltem und dem Erreichtem so groß wie bei den Deutschen.

 

Wie der Autor richtig schlussfolgert, bildetet der Zusammenbruch des „Dritten Reiches“ einen unabwendbaren Bruch in dem „traditionsbedingten“ bis dato überwiegend stringenten Verlauf der Deutschen Geschichte. Die Abkehr vom Zentralismus und die Hinwendung zu Föderalismus, die Definition einer neuen Staatsräson und einer neuen Identität, die man eigentlich erst nach der Wiedervereinigung so richtig stolz nach außen getragen hat, waren Zeichen des Neuanfangs. Auch wenn die über 200 Jahre geltende preußisch-militaristische Gesellschaftsform zu Grabe getragen wurden, das schwärzeste Kapitel in der Deutschen Geschichte wird auch nach dem Ableben der letzten Zeitzeugen weiter Teil unseres gesellschaftlichen Lebens bleiben.

 

Fazit: Zusammenfassend liefern die Bücher für all diejenigen, die sich erstmalig näher mit dieser Thematik beschäftigen wollen einen umfassenden Einblick in die Zusammenhänge, Abläufe und Konsequenzen der beiden Weltkriege, bieten aber auch den schon seit längeren Geschichtsinteressierten einen guten Überblick auf dem aktuellen Forschungsstand. Zwei Bücher, die sich insbesondere auch für den Geschichtsunterricht in der Oberstufe besonders eignen.

 

Andreas Pickel

4/5 Sterne
4/5 von 5

© 2008 Andreas Pickel, Harald Kloth