Henning Mankell

Ich sterbe, aber die Erinnerung lebt

Nichts ist seit den Höhlenzeichnungen der Steinzeitmenschen so bewegend wie diese Bücher sterbender Eltern für ihre Kinder! So charakterisiert Elke Heidenreich diesen erschütternden Band - und wie Recht sie damit hat!

 

Dieses Werk des Schweden Henning Mankell ist leider keiner seiner Krimis, sondern brutale und grausame Realität. Eine Bewertung dieses Buches nach literarischen Gesichtspunkten wie Schreibstil oder Spannungsbogen ist deshalb schlichtweg unmöglich.

 

Der Autor beschreibt eindrucksvoll und in knappen Worten eine der größten humanitären Katastrophen der Menschheit - HIV und AIDS. Hilfsorganisationen schätzen dass in einigen Jahren 40 Millionen Kinder in Afrika und Asien ohne Eltern leben und ohne deren Erfahrungen und Hilfe aufwachsen müssen - das ganze Gesellschaftsgefüge könnte kollabieren, das Wissen und die Erfahrung ganzer Generationen kann unwiederbringlich verloren gehen!

 

Henning Mankell plädiert sehr eindringlich für mehr Toleranz und richtet den Blick des Lesers auf die sogenannten Memory-Books beziehungsweise Livres de Mémoires, mit deren Hilfe sterbende Eltern versuchen ihren Nachkommen ein Stück Erinnerung zu bewahren und sie auf ein Leben nach dem eigenen Tod vorzubereiten. Er bezeichnet diese berührenden Erinnerungsbücher als wichtige Dokumente unserer gegenwärtigen Zeit und würde sogar die Bibliothek von Alexandria damit füllen.

 

Und so steht dieses Buch, das Memory-Book von Christine Aguga - in das sie Fotos klebt, in dem sie Ratschläge erteilt, Geschichten von sich und ihren Eltern erzählt und Lebensweisheiten festhält - verfasst am 27. Januar 2000 für ihre 10jährige Tochter Everlyn, stellvertretend für Millionen von todgeweihten Menschen, deren Hoffnungen und Leiden.

 

Dieses Buch spricht für sich selbst und die Problematik die es behandelt; nach der Lektüre betrachtet man das Leben wieder von einer ganz anderen Seite. Vor allem in diesen hektischen vorweihnachtlichen Tagen die wieder vor der Tür stehen, sollte man sich ein altes afrikanisches Sprichwort zu Herzen nehmen, das Christine Aguga zu ihrem Lebensmotte auserkoren hat: Eile ist ein menschlicher Irrtum!

 

Fazit: Mankell versteht es das Leiden zu personifizieren, denn nur anhand eines Einzelschicksals kann man die ganze Tragweite dieser Tragödie erahnen - begreifen kann man diese nicht!

 

Wolfgang Gonsch

5 Sterne
5 von 5

© 2004 Wolfgang Gonsch, Harald Kloth