„Nehmt die militärischen Optionen vom Tisch. Wir haben erlebt, dass die nichts taugen“, rief im August 2005 der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder während der Auftaktveranstaltung zu den Bundestagswahlen in Hannover seinen Anhängern zu. Trotz der Tatsache, dass die damalige Rot-Grüne Koalition deutsche Soldaten in den Kosovo und später nach Afghanistan entsandte, hätte jedoch Gerhard Schröder nicht nur wegen dieser Aussage kein eigenes Kapitel in dem neuen Buch von Stig Förster, Markus Pöhlmann und Dierk Walter bekommen. Zu ambivalent war insgesamt sein Verhältnis zum Militär.
Fünf Jahre nachdem sich die Autoren in Schlachten der Weltgeschichte mit dem Krieg als wesentlichen Aspekt von Politik beschäftigt hatten, widmet sich das neue Werk nun den Leuten, die im Krieg die Fäden in der Hand hielten. Dabei sind zwischen beiden Büchern viele Verbindungen festzustellen (zum Beispiel Xerxes und die Schlacht bei Salamis, Hannibal und die Schlacht von Cannae, Napoleon und Waterloo oder Hitler und Stalingrad).
Ein Kriegsherr ist nach den Autoren eine Persönlichkeit, die zu gleicher Zeit politische und militärische Funktionen auf sich vereinigt haben, genauer gesagt die oberste politische und militärische Funktion - Staatslenker, die auch Kriegslenker waren - und zwar im Kriege. Dadurch unterscheiden sie sich in die eine Richtung von vermeintlichen „Friedentauben“ wie Gerhard Schröder oder reinen Politikern wie Bismarck und in die andere Richtung von Feldherren, Generälen und Strategen wie Moltke und Mahnstein. Auch die schwärzesten Schafe unter den Politikern und grausamsten Diktatoren, wie Stalin und der „Größte Feldherr aller Zeiten“, Hitler, fanden Einzug in die Liste der Kriegsherren.
Hinter den dargestellten 22 Kriegsherren verstecken sich 22 unterschiedliche Persönlichkeiten unterschiedlichster Charaktere.
Die erfolgreichsten Kriegsherren zeichneten neben einer oftmals charismatischen Ausstrahlung eine Mischung aus fachlichem Können, dem notwendigen Durchsetzungsvermögen, Tollkühnheit, aber auch Glück aus. Nur so behielt man gegenüber den Gegnern in den eigenen Reihen sowohl politisch wie auch militärisch die Oberhand und den gebotenen Respekt.
Weiter stellen die Autoren recht anschaulich dar, wie sich im Verlauf der Geschichte das Bild vom und die Erwartungen an den Kriegsherren wandelte.
Xeres galt als charismatischer und teils jähzorniger Führer, der zum Eigenschutz nicht von vorne führte und seine Männer motivierte, sondern aus sicherer Distanz seine Heere befehligte. Dies galt keineswegs als feige Handlung und unter dem abseits thronenden Königs sein Leben zu geben, galt unter den Soldaten als große Ehre.
Der König der Makedonen, Alexander der Große, dagegen wurde bekannt als „großer Jäger, tapferer Kämpfer, schlauer Kommandeur und standfester Trinker.“ (Seite 35) Wenn sich die Möglichkeit ergab, ergriff er die Initiative und führte von Vorne, auch unter der Gefahr, selbst sein Leben zu verlieren.
Hannibal wiederum war mehr Feldherr als Kriegsherr, hatte er doch ständig den karthagischen Rat und eine umfangreiche militärische Entourage wie Techniker und Gelehrten an seiner Seite. Trotz seiner großen Leistungen um die Schlacht bei Cannae, zögerte er jedoch die letzten Schritte zu machen und den eigentlich freien Weg nach Rom zu wagen.
Tschingis Khan, der laut der Autoren entgegen der bisherigen Meinung nicht der Anführer der mongolischen Nation war, sondern ein Heer aus Mongolen und Turkvölkern anführte, trieb trotz allem Sendungsbewusstsein und Machthunger der simple Selbsterhaltungstrieb zu immensen militärischen Erfolgen und Gebietsgewinnen.
Friedrich II. wird als „passender Kandidat für die Irrenhäuser des Landes“ (Seite 148) beschrieben, der sich trotz allem preußischem Drill und Brutalität gegenüber den Untertanen auch äußerlich immer wieder als Soldatenkönig zeigte und sich als einer von Ihnen fühlte und bezeichnete.
Auch Napoleon war durch und durch Feldherr, der nur dann als Politiker auftrat, wenn es darum ging seine militärischen Erfolge in politische Verträge zu untermauern. Das militärische stets vor politischem Handeln zu stellen und über keine langfristige politische Strategie bezüglich der Neuordnung Europas zu haben, führte schließlich auch zu einer Überdehnung der Kräfte und zu seinem Scheitern.
Churchill dagegen gelang es durch die Umstrukturierungen in den zuständigen Ministerien die politische Effektivität so zu erhöhen, dass auch das Militär nachhaltig davon profitierte. Dies zeigte sich auch in der Außenpolitik und besonders im Bereich der Diplomatie, als es im gelang eine wirkungsvolle Allianz gegen Hitler als Voraussetzung für erfolgreiches wirkungsvolles militärisches Handeln zu schmieden. Militärisch führte er, wie es auch Heute in der Bundeswehr praktiziert wird, mit Auftragstaktik, das heißt er gab durch knappe Befehle ein klares Ziel vor, den Weg dorthin überließ er seinen Kommandeuren.
Nixon als letzter Protagonist nahm seine Funktion als Oberbefehlshaber der Streitkräfte zu wörtlich, versuchte vergeblich eine direkt Kontrolle über die militärischen Handlungen zu erringen und hegte - ein Vergleich mit Hitler lässt sich nicht verleugnen - ein tiefes Misstrauen gegen das Tun seiner Generäle.
Insgesamt werden also die unterschiedlichste Führungstypen beschrieben, charismatische Führer, die lediglich durch ihre Ausstrahlung bedingungslosen Willen erreichten, Führer die durch ihren militärischen Sachverstand überzeugten, akribisch wie Wilhelm I. das Militär anführten, jedoch politisch kaum Akzente setzten oder Kriegsherren wie Hitler der seinen Feldmarschallen ein Alibi für eigenes Tun und Fehler bot.
Besonders mit Beginn der industriellen Revolution seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurde die Kriegsvorbereitung und -Durchführung so komplex, dass sich einer Art Symbiose zwischen politischer, militärischer und wirtschaftlicher Führung ergeben musste, um eine Schlacht oder Krieg erfolgreich zu beenden. Oftmals jedoch, exemplarisch verdeutlicht bei Hitler, war der Kriegsherr mit dieser Komplexität völlig überfordert, eigene Fehler in der Auswahl der Strategie, der Gefechtsordnung, dem Einsatz von Kräften und Mittel, in der Organisation der Kriegswirtschaft wurden auf die militärische oder wirtschaftliche Führung abgewälzt und dort der Sündenbock für den eigentlich vermeintlichen Niedergang gesucht.
Stellt sich bei den meisten der der 22 ausgewählten Kurzbiographien nicht die Frage, ob sie als Kriegsherr gelten oder nicht, so sind zumindest bei Tecumseh, der weder militärisch noch politisch die höchste Gewalt inne hatte, Erich Ludendorff, der alles andere als der höchste Politiker seiner Zeit war und der deutsche Kolonialheld, aber bei Leibe nicht Nationalheld, des Ersten Weltkrieges, Paul von Lettow-Vorbeck Zweifel angebracht, verkörperten Sie zumindest nicht die uneingeschränkte politische Gewalt ihrer Zeit. Andererseits fehlt meines Erachtens der Kriegsherr der heutigen Zeit, George W. Bush. Als Präsident des (noch) mächtigsten Landes, als Oberbefehlshaber der weltweit größten Streitmacht, die erst in Afghanistan und dann (unter zweifelhaften Gründen) in den Irak einmarschierte, als Demokrat (!?) der die Menschenrechte mit Füssen tritt (siehe Guantanamo), hätte er mit Sicherheit den Schlusspunkt dieses Buches setzen müssen. Angesicht der Misserfolge in Afghanistan und Irak, hätte er sich dann zumindest in diesem Punkt nahtlos hinter Napoleon und Nixon Reihen können, erlebt er doch derzeit dort sein eigenes Waterloo oder auch Vietnam.
Fazit: Trotz dieser unzureichenden Differenzierung, für diejenigen, die es vermeiden wollen zu jedem der militärischen Größen eine Einzelbiographie zu lesen, ein auf dem neusten Stand der Geschichtswissenschaft faktenreiches Buch, welches die jeweiligen Charaktere treffend beschreibt und die historische Abteilung eines jeden Bücherregals bereichert.
Andreas Pickel
© 2006 Andreas Pickel, Harald Kloth