Alfred Hahn liegt in seinem Weinkeller mausetot! Gärgas, ein schneller, sanfter und bei einem Weinbauern fast schon natürlicher Tod, wie der Gemeindearzt meint. Gendarmerieinspektor Simon Polt überbringt der Gattin die Todesnachricht. Doch die Ehefrau beklagt den Tod ihres Mannes nicht. Jetzt ist sie frei, jetzt wird sie nicht mehr geschlagen, keine Drohungen, keine Demütigungen mehr. Hahn, so findet Polt heraus, war auch den übrigen Dorfbewohnern verhasst, ein richtiges Ekelpaket. Er presste alten, kranken oder senilen Leuten um ein Trinkgeld Haus und Hof ab und er hatte in Wien einige Miethäuser, in denen er Gastarbeiter unter tristen Bedingungen zu hohen Mieten wohnen ließ. Er stiftete im ganzen Dorf Unfrieden, schaffte es, zwischen zwei Nachbarn Streit zu säen und daraus Profit zu schlagen.
Und dann war da noch die Geschichte mit dem Buben vom Schachinger, den er beim Kirschenstehlen erwischt hatte und weiß Gott was mit ihm im Keller getrieben hat. Seit dem ist der Junge verängstigt, spricht nicht über das, was da unten passiert ist. Es hat allem Anschein nach den Richtigen erwischt. Aber war es wirklich ein Unfall? Oder war es Mord? Motive hätten viele!
Trinken wir etwas? So fängt üblicherweise ein Gespräch zwischen Männern im Weinkeller an. Die Kellergassen sind patriarchalische Welten. Da regieren Ehre und Tradition, da wird über die moderne Welt geschimpft, wird über die schlechten wirtschaftlichen Bedingungen geklagt und Frauen haben ja sowieso keinen Zugang. Das Weinviertel, in dem "Polt muss weinen" spielt, ist eine karge, fast öde Welt, in der die Zeit wirklich stehen geblieben ist und pausenlos gesoffen wird. In ein paar Jahren vielleicht, durch die Ostöffnung, könnte die Gegend an der Grenze wieder belebt sein, aber jetzt? Die Jungen wandern ab, gehen in die Stadt. Der Weinbau ist etwas für die Älteren und die ganz Alten.
Gendarmerie-Inspektor Simon Polt, behäbig, schweigsam und zutiefst verwurzelt in seiner Heimat erfährt viel über Hahn, aber wenn es um den Unfall, den Tod geht, trifft er auf eine Mauer des Schweigens. Dann entwickelt die Volksschuldirektorin Karin Walter, die von Simon Polt ein wenig verehrt wird, einen Plan: man lässt durch die neugierige und redselige Kaufhausbesitzerin Aloisia Habesam ein Gerücht in die dörfliche Welt setzen. Der Plan gelingt: vier Mörder? Oder doch nur einer? Das ist die letzte, die entscheidende Frage. Per Post trudelt bei Simon Polt ein schriftliches Geständnis ein. Und Polt muss weinen ...
Alfred Komarek, bekannter und vielbeschäftigter Kult-Autor, Essayist und Journalist, zeichnet in seinem ersten Polt-Kriminalroman das Weinviertel als eine einfache, archaische, schöne und bedrohte Welt. Wie in seinen anderen Texten ist er ein genauer Beobachter und Schilderer von Kulturlandschaften, also des Landes und seiner Menschen, die dieses Stück Erde hervorbringt und prägt.
Komarek ist ein Romantiker, ein Idylliker und Verklärer: er lässt die Dörfer vor unserem Auge wachsen, baut Weinstöcke plastische auf und zeigt Verständnis für die Sorgen und Nöte der Menschen ebenso wie für ihre Motive. Dieser Plot besticht durch seine Harmonie und Authentizität. Die Story ist langsam und bedächtig aufgebaut und entbehrt jeder übertrieben oder unangebrachten Dramatik. Die Protagonisten wirken echt und bei der Lektüre meint man ab und zu den Geruch des heran reifenden Weines in der Nase zu spüren.
Ein Tipp: lesen sie diesen beileibe nicht alltäglichen Kriminalroman zu einem Achterl Blauburger oder Grünem Veltliner und vor allem auf Österreichisch!
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Fazit: Empfehlenswert ist dieses Buch vor allem für österreich- und weinliebhabende Krimifans, die weniger Wert auf spannungsgeladene Thriller legen als auf feinfühligen Milieustudien vor kriminalem Hintergrund.
Wolfgang Gonsch
© 2006 Wolfgang Gonsch, Harald Kloth