Die Geschichte einer erstaunlichen Mutation: vom Topmanager über einen Arbeitsbefreiten bis hin zum Selbstsaboteur.
Gehrer (uns bereits bestens aus 35 Fünfunddreißig bekannt), dem Chef der Marketingabteilung eines internationalen Großkonzerns, wird für ihn völlig überraschend gekündigt. Zwar fühlt er bereits am Vorabend ein merkwürdiges inneres Erdbeben, doch kann er sich nicht auf diese neue Situation einstellen. Er fällt in ein immer tiefer werdendes Loch, vor seiner Frau, einer erfolgreichen und die Karriereleiter empor stürmenden Rechtsanwältin, verheimlicht er seine Kündigung. Dieses Versteckspiel hält Gehrer erstaunlich lange, zu lange durch bevor es logischerweise doch auffliegen muss.
Zuerst tut er eine Zeit lang gar nichts, dann versucht er erfolglos wieder einen Job zu bekommen. Er versucht sich als freiberuflicher Fahrlehrer, scheitert aber finanziell und menschlich. Als er durch Vermittlung von Freunden seiner Frau Jobs angeboten bekäme, verliert er sofort jedes Interesse daran. Einem Zwischenspiel als Hausmann folgt schließlich die Trennung von seiner Frau und der Rückfall in ziellose Trägheit die bis zur Selbstaufgabe ausartet.
Man fragt sich bald, wie ein dermaßen lebensuntüchtiger, motivations-, interessen- und zielloser Mensch vorher Karriere bis in die höchsten Ränge der Wirtschaft machen konnte. Nichts scheint ihn wirklich zu interessieren, weder seine Ehe noch irgendetwas sonst. Für den Wiedereinstieg ins Berufsleben scheint er sich für kurze Zeit zu minimalen Handlungen hinreißen zu lassen. Aber selbst das erscheint mehr wie eine kurzfristige Ablenkung vom sonst bei ihm üblichen Nichtstun.
Er scheint auch keinerlei persönliche Beziehungen zu anderen Menschen zu haben, keine Freunde, nur Bekannte seiner Frau, auf die er bei immer seltener werdenden gesellschaftlichen Anlässen trifft.
Den Anschein eines Autisten verstärkt der Autor durch seine Erzählweise, in der in sehr kurzen Sätzen und Absätzen meist nur die Umgebung oder die Atmosphäre beschrieben wird. Dialoge sind eine ausgesprochene Seltenheit, für die Leser entsteht fast der Eindruck, einen etwas seltsamen, eigenbrötlerischen und einsamen Fisch in einem Aquarium zu betrachten.
Wunderbar zu lesen, geradezu eine Perle ist das Kapitel 10, radikal und deprimierend: ein Einstellungsgespräch in reiner Frageform das die Grausamkeit und Kälte der heutigen Managementwelt in der knappst möglichen Form darstellt.
Die Story - inhaltlich etwas dünn geraten - verdankt ihre Spannung Dobelli´s feinen und äußerst atmosphärischen Bildern. Vor allem zu Beginn wird man in Gehrer´s Innenleben geradezu hineingezogen. Diese Spannung kann der Autor jedoch nicht durch den ganzen Plot aufrechterhalten. Beschreibungen wirken zunehmend an den Haaren herbeigezogen und konstruiert.
Fazit: Man wird den Gedanken nicht los, dass dieses Buch an sich ein Businesskonzept darstellt. Ein Formulieren um des Formulierens Willen, eine Massenproduktion an Metaphern, die einen langsam aber sicher zu langweilen beginnen. Erst der Schluss vermag - einigermaßen zumindest - wieder zu überzeugen. Trotzdem macht es Freude wieder auf Gehrer zu treffen und man wartet gespannt auf die Fortsetzung!
Wolfgang Gonsch
© 2004 Wolfgang Gonsch, Harald Kloth