Der amerikanische Autor Stewart O'Nan, der sich seine Meisterschaft des "subtilen Horrors" mit Büchern wie Die Speed Queen oder Engel im Schnee erschrieben hat, hat sich mit "Der Zirkusbrand" an ein ganz neues Sujet gewagt. Denn in diesem Buch widmet er sich einem realen Ereignis, dem größten und folgenschwersten Zirkusbrand in der Geschichte Amerikas, geschehen in seiner Heimatstadt Hartfort, Connecticut, am 6. Juli 1944.
Auf über 500 Seiten schildert O'Nan die Vorgeschichte, die Umstände und den Brand selbst, sowie die weitreichenden Folgen, die dieser mit sich brachte. 167 Menschen, vor allem Frauen und Kinder, starben bei dem Brand, dessen Ursache bis heute ungeklärt ist und der mit sechs unidentifizierten Leichen noch Jahrzehnte später für Aufregung sorgte.
Die vielen offenen Fragen sowie die zahlreichen Einzelschicksale, die Stewart O'Nan recherchierte, geben ihm reichlich Gelegenheit, die Schilderung des Geschehnisses mit Hilfe seiner schriftstellerischen Fähigkeiten zu einer gelungenen Mischung aus Reportage und Krimi zu machen. Um die New York Times zu zitieren: "Der Zirkusbrand ist Journalismus im Dienste der Literatur und Literatur im Dienste der Geschichtsschreibung".
Die Tragik des Geschehens wird dem Leser auch durch die zahlreichen Fotos verdeutlicht. So etwa ist die Leiche der kleinen Miss 1565 abgebildet, eine der unidentifizierten Leichen und der rätselhafteste Todesfall überhaupt, da das Mädchen kaum Verletzungen davontrug und dennoch nicht identifiziert wurde.
Das einzig Positive, das aus der Tragödie resultierte, ist, dass im Nachhinein verstärkt an den Brandschutzbestimmungen gearbeitet wurde. So etwa wurden die großen Zirkuszelte nicht mehr wie einst zur Wasserdichte mit Paraffin behandelt, sondern feuerfest gemacht und Veranstaltungen dieser Größenordnung generell sicherer gestaltet.
Fazit: Wahr, tragisch und sehr gelungen erzählt.
Andreas Pickel
© 2003 Andreas Pickel, Harald Kloth