Wohin mit unserem Atommüll?
2010
Regie: Michael Madsen
Im finnischen Onkola entsteht das weltweit erste Endlager für radioaktive Abfälle (nordamerikanischer Standort Yucca Mountain u. a. wegen Erdbebengefahr 2009 ausgesetzt). Darin sollen die lebensgefährlichen Hinterlassenschaften des Kernzeitalters für 100.000 Jahre (!) sicher verwahrt werden. Ein denkwürdiges Projekt mit vielen technischen, aber auch gesellschaftlichen Herausforderungen, wenn man bedenkt, daß das älteste menschliche Bauwerk bislang nur 10.000 Jahre existiert. Damit ist Finnland Vorreiter bei der bisher völlig ungelösten Frage der Endlagerung.
Da die Bauingenieure davon ausgehen, daß oberirdisch weder für 100, noch für 1.000 Jahre stabile Bedingungen garantiert werden können, hat man sich für ein gigantisches Tunnelsystem entschieden. Dieser Ort soll dann 100.000 Jahre ohne Bewachung auskommen, Wirtschaftskrisen und Kriege überstehen können.
Vielfältige Fragen drängen sich auf: Wie können Eindringlinge abgehalten werden? Warnt man die Menschen vor diesem Ort oder läßt man ihn besser in Vergessenheit geraten? Werden kommenden Generationen Warnhinweise überhaupt noch verstehen oder ergeht es ihnen wie heutigen Archäologen, die Pyramiden erforschen? Wie verhindert man, dass die Menschen in der Zukunft einen Schatz vermuten? Geheimnisse haben schließlich schon immer menschliche Neugier geweckt. Sollte man gar eine religiöse Stätte daraus machen? Wie verhindert man also die nächsten 100.000 Jahre dass dieser Ort von Menschen betreten wird?
Die Herausforderung: Es ist unmöglich zu sagen, wie sich die menschliche Gesellschaft in 100, 200 oder 500 Jahren entwickelt haben wird. Sicher ist nur eines: Es wird Veränderungen geben. Das Endlager muß solche Veränderungen aber ausschließen. Es muß seinen gefährlichen Inhalt immer sicher verwahren können. Die zwei Konzepte dazu sind: 1. Vergessen und 2. Warnung. Vielleicht wäre die zweite Alternative in etwa so, als ob man versucht einem Neandertaler Atommüll zu erklären.
Dem dänischen Regisseur Michael Madsen (übrigens nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Schauspieler) ist mit diesem Dokumentarfilm ein Kunststück gelungen. Madsen schafft Bilder von einer Wucht und Intensität, die man so schnell nicht mehr vergisst. Dabei braucht es keine Schockbilder. Bedächtig und mit kühler Präzision zeigt er die Arbeiten an diesem gigantischen Bauwerk.
Die Interviews mit den Beteiligten sind von erstaunlicher Offenheit und offenbaren, trotz zuversichtlicher Experten, die große Problematik der atomaren Endlagerung.
Madsen bedient sich zudem eines genialen wie einfachen Kunstgriffs: Der Zuschauer wähnt sich in der Rolle eines Besuchers aus der Zukunft. Das verleiht dieser hervorragenden Dokumentation einen sehr philosophischen Anklang.
Als Extra findet sich noch ein 30minütiges, sehr aufschlussreiches, Interview mit dem Regisseur Michael Madsen.
Fazit: Egal ob Atomraftgegener oder -befürworter. Die ungelöste Frage der Endlagerung radioaktiver Stoffe ist Tatsache und bedarf eines Auswegs. Deshalb ist diese kluge Dokumentation wichtig. Auf jeden Fall aber ist sie ein spannender Trip in das Herz der finnischen Finsternis. Ein schwieriges Thema - effektvoll umgesetzt.
Harald Kloth
© 2011 Harald Kloth
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