Andreas "Spider" Krenzke: Im Arbeitslosenpark

Storys

Dresden ; Voland und Quist ; 144 Seiten ; 2006 ; ISBN 3-938424-12-5

mit Audio-CD

 

In dieser nur beim oberflächlichen Lesen kunterbunt, auf die Leserschaft jedoch latent depressiv wirkenden Anthologie von Andreas Krenzke dreht sich alles um große, die Bevölkerung stets beschäftigende Themen: Arbeitslosigkeit sowie Ossis und/gegen Wessis. Aber nicht wie vielleicht zu befürchten wäre, durch monotones Gejammer oder schier endlose Lamenti. Sinnlose Anklagen oder das übliche „alle anderen haben daran schuld, nur ich nicht“-Gebrabbel sucht man ebenfalls vergeblich. Andreas Krenzke gibt die teils traurigen, teils lustigen Erfahrungen auf eine absolut witzige, ironische und stets lakonische Art und Wiese wieder.

 

„Spider“ - ein Lesebühnen-Interpret, wie er im Buche steht – hat mit diesem Buch ein Werk mit vielen zusammenhängenden Kurzgeschichten geschaffen, wie sie zur Zeit relativ häufig auf den neuen Lesebühnen-Darbietungen zu finden sind. Die Wirkung dieses Buch ist allerdings doch eine andere: es wurde laut Autor nicht von Haus aus für die Effekt-haschende Lese-Bühne geschrieben. Die Masse der Aussagen und Quintessenzen wirken erst mal eine Zeit lang im Stillen, Verborgenen und kommen langsam, immer schneller werdend und schließlich mit unglaublicher Power an die Oberfläche. Die Geschichten mit ihren sarkastischen oder zumindest launigen Statements lässt einen nicht nur einmal nach Luft schnappen bzw. mit offenem Mund zurück. Diese Kurzgeschichten zielen nicht auf den schnellen Aha-Effekt ab, sie brennen sich richtiggehend ins Gehirn, in die Langzeiterinnerung ein.

 

So geht der Autor neben vielen anderen der simplen Frage nach, ob es teurer kommt, wenn man in der ersten Klasse beim Schwarzfahren erwischt wird. Auch dem Phänomen der schleichenden Enteignung geht Andreas Krenzke auf den Grund. Er findet heraus, dass eine Enteignung keineswegs nur die Armen betrifft, sondern auch jene, die auf der Sonnenseite des Lebens stehen – für die ist es allerdings deutlich schlimmer, wenn die Villa, durch den Zuzug von „Assis“ statt der Million nur noch 900.000 Euro wert ist. Kann man also auf diese Weise Grundstückspreise in Villenvierteln drücken und damit die Reichen schleichend enteignen? Kann ein Mensch, der Fünfzigtausend Euro Steuern zahlt, das noch mit ehrlicher Arbeit verdienen? Er lässt uns teilhaben an seinen mannigfaltigen Jobs, vom Arbeitslosendarsteller bis hin zum Butterkeks-Zusammenkleber und duelliert sich für uns – zumindest geistig - mit einem Fahrkartenkontrolleur.

 

An diesen wenigen ausgesuchten Beispielen sieht man, dass sich zwar das berühmte Augenzwinkern, das nicht-ganz-ernst-meinen, wie ein Roter Faden durch das ganze Buch ziehen, jedoch keineswegs alles so lustig oder komödiantisch gemeint ist. Beim Lesen dieser vor Klischees fast überlaufenden Storys überkommt einen stetig das Gefühl, dass die kabarettistisch verarbeitete, punktgenau platzierte Sozialkritik immer einen wahren Kern aufweist und auf die Probleme der Menschen, vor allem im Ballungsraum Berlin abzielt.

 

„Spider“ legt seine Finger ganz gezielt und mit voller Absicht in Wunden und lässt dabei die Leserschaft ohne Verbandmaterial sitzen – einfach so! Er macht auch keinerlei Anstalten irgendwelche Lösungsvorschläge oder Auswege anzubieten. Er möchte uns ganz einfach ein bisserl aufrütteln, wehtun und fordert uns unausgesprochen dazu auf hinzuschauen, aufzubegehren, andere Wege zu gehen – und vor allem nicht immer alles so tierisch ernst zu nehmen und dem schnöden Mammon hinterher zu hecheln.

 

Fazit: Andreas Krenzke begeistert von Anfang an durch seinen messerscharfen, sezierenden Blick auf die Dinge, die er facettenreich und voller hintergründigem Humor in Szene setzt. Treffende Millieu-Schilderungen und skurrile Charaktere treffen hier auf echt Berliner Schnauze!

 

Wolfgang Gonsch

5 Sterne
5 von 5

© 2013 Wolfgang Gonsch, Harald Kloth

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